theatercompagnie
Tagträumer
Ingeborg
Bachmann: Nomadin
ein Theaterabend mit Texten, Musik und Biographischem
Regie Ulrike Rogowski
mit Uta Eckhardt
«Die Frankfurter
Schauspielerin Uta Eckhardt ließ Zeitgenossen wie Ilse Aichinger, Paul
Celan und Hans Werner Richter mit Zitaten über Ingeborg Bachmann zu Wort
kommen und entwarf so ein plastisches Bild der großen Lyrikerin.»
Offenbach-Post
«Die Nähe,
die zwischen Lyrik und Musik besteht
Uta Eckhardt und Ulrike Rogowski widmeten ihre Lesung
der Autorin Ingeborg Bachmann
FRANKFURT A. M. "Muß einer denken, wird
er nicht vermißt?« Die brüchige, zögernde, trostlose
Stimme einer Frau läuft vom Band. Es ist die Stimme Ingeborg Bachmanns.
"Erklär mir Liebe", heißt das Stück bitterer Lyrik,
mit dem Uta Eckhardt unter der Regie von Ulrike Rogowski ihre szenische
Lesung zu Leben und Werk der Schriftstellerin beginnt.
Im Frauenkulturhaus am Industriehof stellte die
Frau ganz in Schwarz diesmal den Schreibtisch mit der Leselampe aus den
fünfziger Jahren auf. Kassetten mit Originalaufnahmen der Bachmann
und ihr vertrauter Personen liegen neben einem Päckchen Zigaretten
und einer Flasche Chianti.
Uta Eckhardt steckt nur den Rahmen einer Biographie,
indem sie Biographisches ganz einfach erzählt. Der eigentliche Reiz
des der Schriftstellerin gewidmeten Abends liegt in der ausgesprochen überzeugenden
Personen-Metamorphose, die sich auf der Bülme vollzieht. Der fast gläsernen
Zerbrechlichkeit der Bachmann verleiht die Schauspielerin durch eine extrem
reduzierte Gestik Ausdruck. So als ob sie, die Einsame, sich selbst liebkosen
müßte, berührt ihr Handrücken beim Sprechen der Texte
unentwegt zaghaft die eigene Wange. Der Komponist Hans Werner Henze, mit
dem Ingeborg Bachmann viele Jahre in Italien verbrachte, wird in der Darstellung
Uta Eckhardts zu einem Menschen-Zeugen, der seine Erinnerung an Ingeborg
Bachmann mit weit ausholenden Armbewegungen geradezu dirigiert und sie gleichzeitig
mit einem Rhythmus zu unterlegen scheint.
Die gemeinsame Zeit in Italien erscheint in seinem
Blick auf die sensible Schriftstellerin als kurzes Feuerwerk, als das »Fest
Italien«, das beide feierten.
Zurückgeschlüpft in die Haut der "Nomadin" - so auch
der Titel der szenischen Lesung - erfährt diese sodenn auch eine wundersame
Wandlung. Fast keck, eine Spur burschikos.und genießerisch lehnt sie
sich zurück, gießt sich einen Chianti ein, raucht. Doch ist das
eine trügerische Leichtigkeit. Die Rauchschwaden, die sie mit fast
frivoler Gestik in den Raum bläst schweben ihr noch um den Körper,
aber da kippt das Lebensgefiihl bereits.
Max Frisch, eine zweite große Liebe der Frau,
die - bedingt durch die Erfahrung des österreichischen Anschlusses
an das Dritte Reich - eine "Todesangst vor den Menschen" hatte,
erinnert sich zögernd, bedächtig an die einstige Freundin. Es
ist zäh, was da aus seinem Munde-zwischen Pfeifenzügen-herauskommt.
Zäh und vorsichtig. Es laßt sich nicht hineinstecken in die gängige
Schublade "dramatische Liebesbeziehung'. Mit der Art und Weise, wie
das weibliche Theaterduo Frisch in der Haut Uta Eckhardts in Szene setzt,
wird es der leisen Art Ingeborg Bachmanns gerecht, die selbst - befragt
zu Frisch - sich in Schweigen hüllte. Mit "Die Nomadin" ist
den beiden Frauen ein eindrucksvoller und sensibler Einblick in das tragische
Leben der Schriftstellerin gelungen.
In das Leben einer Frau, die zur schmerzlichen Erkenntnis
gelangt, daß sich die Menschen auch »mitten im Frieden ermorden«,
und die bis zu ihrem beinahe schon mythosumwobenen Tode die Kluft zwischcn
Intellekt und dem Bedürfnis nach menschlicher Nähe nicht schließen
konnte. »Denken ist solitär, Alleinsein eine gute Sache«
- zu der Einsicht gelangte sie schlieBlich. Bücher erschienen ihr,
der »asozialen und verdammten« Autorin als einziger »Weg
zum Du«.
Der Weg zur Nomadin Bachmann, den Ulrike Rogowski intelligent und gefühlvoll,
mit gekonnten dramaturgischen Details inszenierte, überzeugte durch sparsam
gesetzte Mimik und Gestik. Körpersprache und eigentliche Sprache der Darstellerin
in all ihren Verwandlungen zeugten von der Nähe, die zwischen Lyrik und
Musik besteht. Eine Nähe, der sich auch Ingeborg Bachmann und Hans Werner
Henze bewußt waren.»
Annette
Wollenhaupt, Frankfurter Rundschau 28.11.1996